Freitag, 23. Dezember 2011

Eine stinknormale Leichensache. (3)

Donnerstag, 22. Dezember 2011.
Bei Willi vor der Ecke. Kneipengespräche. (8)


Werner: Ich bin nach dem Mittagessen allein hingefahren.

Verleger: Hm.

Werner (schaut sein Glas an): Die Bibliothekarin wusste auch nicht viel. Nur dass er früher Schriftsetzer war. Hätte viel Spaß in seinem Job gehabt, bis er outgesourct wurde. Dann hätte er es mit einer Detektei versucht, sei aber gescheitert. Danach diverse Aushilfsjobs, dann die Frau abgehauen. Zuletzt hätte er eine Art Recherche für irgendwen gemacht. Hätte ein großes Geheimnis drum gemacht und nie einen Namen genannt. Hätte sogar die Hoffnung gehabt, im neuen Jahr von der Stütze wegzukommen. Ein, zweimal in der Woche sei er in die Bücherei gekommen und hätte sich Bücher ausgeliehen. Keine besonderen Vorlieben. Ihren Kaffee habe er gemocht. Und sie hätten gequatscht, soweit es für sie während der Arbeit möglich gewesen wäre. Belanglosigkeiten. Er sei manchmal etwas anstrengend gewesen, aber im Grunde eine Seele von Mensch. Dann hätte sie ihn längere Zeit nicht gesehen, weil sie krank war. (schaut den Verleger an) Sie wusste nicht mal, wo er wohnt und wie er mit Nachnamen hieß. Aber als ich mich verabschiedete, hat sie gefragt, wo er beerdigt wird.

Verleger: Wenn ich`s recht überlege: So schlecht ist mein Job dann doch nicht.

Werner: (Befingert sein leeres Bierglas, sieht zur Theke. Sieht auf den Tisch, betrachtet das Bierglas.) Eine ganz normale Nullachtfünfzehn-Leichensache! Alltagsgeschäft. Macht mir wirklich nicht das Geringste aus. (schüttelt den Kopf) Stirbt der da einfach so beim eMail-Schreiben.

Verleger (schweigt)

Werner (schweigt)

Verleger: Ich hasse Weihnachten.

Werner: Hm.

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