Dienstag, 28. Februar 2012

Das Ding ist tot.

Dienstag, 28. Februar 2012 (später Vormittag).
Rudi Ratlos. In der Redaktion. (4)


Rudi Ratlos sitzt an seinem Schreibtisch und hackt einen Text in den PC. Das Telefon klingelt.

Rudi: Ja?

Unbekannte weibliche Stimme: Hallo, Rudi.

Rudi: Dürfte ich bitte erfahren, mit wem ich spreche?

UWS: Das weißt du doch, hm?

Rudi (leicht verärgert): Nein!

UWS: Du solltest etwas netter zu deiner Brötchengeberin sein, mein Lieber.

Rudi (stärker verärgert): Ich wüsste nicht …

UWS (lachend): Eine Zeitung ohne Leser wird nicht lange überleben, oder?

Rudi: Könnten Sie mir bitte endlich sagen, wer Sie sind und was Sie wollen?

UWS: Ach, Rudi!

Rudi (aufbrausend): Mein Name ist Ratlos, und ich wüsste nicht, warum wir uns duzen sollten!

UWS (sanft): Ja, ja, das ärgert dich am meisten, dieser dämliche Name, hm?

Rudi: Wenn Sie nicht augenblicklich sagen, was Sie wollen, lege ich auf.

UWS (sehr sanft): Du weißt doch, dass das nichts nützen würde. Aber ich will mal nicht so sein. Also: Ich habe beschlossen, dass es nicht sinnvoll ist, deine Kolumne „Neues vom Verleger“ weiterzuführen.

Rudi (lacht hämisch): Ach? Da sind Sie aber in der Mindermeinung. Die meisten Leser lieben sie.

UWS (freundlich): Die meisten Leser spielen keine Rolle, mein Lieber.

Rudi: Verdammt noch mal! Wenn Sie mir nicht augenblicklich sagen … Hallo? Hallo!
Knallt den Hörer auf den Apparat.

Der Kollege vom Nachbarschreibtisch (neugierig): Wer war das denn?

Rudi: Irgendeine verrückte Tussi, die …

Das Telefon klingelt. Rudi nimmt ab und brüllt in den Hörer: Wer immer Sie sind: Ich hab keine Lust auf Ihren Scheiß!

Chef: Sind Sie jetzt völlig durchgeknallt, Ratlos?

Rudi (verdattert): Äh, entschuldigen Sie bitte, ich dachte …

Chef (verärgert): Sie sollen nicht denken, Sie sollen schreiben, Ratlos.

Rudi: Mach ich ja! Ich habe die Kolumne fast fertig, ich schick sie gleich rüber.

Chef: Geschenkt. Ich hab was Neues für Sie.

Rudi: Wie – geschenkt?

Chef: Diese Woche stehen einige wichtige Lokaltermine an; ich möchte, dass Sie die übernehmen.

Rudi (fassungslos): Ich dachte, das macht der Neue?

Chef: Den hab ich gerade rausgeschmissen.

Rudi: Aber ich muss noch die Kolumne …

Chef: Planen Sie bitte ein paar freundliche Zeilen mehr ein, wenn Sie über den Kaninchenzüchterverein schreiben.

Rudi: Aber Chef! Das können Sie doch nicht machen! Ich muss doch die Texte für die Kolumne …

Chef (ungeduldig): Ich habe Ihnen einen Auftrag erteilt und erwarte, dass Sie den ausführen! Und zwar pronto!

Rudi: Und meine Kolumne?

Chef: Haben Sie`s immer noch nicht kapiert: Die ist abgesetzt!

Rudi: Aber warum? Die Leute sind …

Chef: Wenn ich sage, das Ding ist tot, ist das Ding tot. Kapiert?

Rudi: Aber … (Sieht den Hörer, dann den Kollegen vom Nachbartisch an): Der hat einfach aufgelegt.

Kollege (grinsend): Ist heute irgendwie nicht Dein Tag, oder?

Rudi sieht immer noch den Hörer an, schüttelt den Kopf, legt auf und starrt auf den Bildschirm. Liest seine Kolumne. Markiert den Text. Drückt seufzend die Taste Entf.

Freitag, 24. Februar 2012

Donnerstag, 23. Februar 2012

finito.

Donnerstag, 23. Februar 2012.
GEHEIM. (23)


dieses projekt endet in 38 tagen

Der letzte Arsch.

Aschermittwoch, 22. Februar 2012.
Der Verleger. Tagebucheintrag. (19)


Da schreibe ich jeden Tag ellenlange Abhandlungen und formuliere für den Chef geschliffenen Unsinn am Fließband, aber die zehn Zeilen Absagebrief an Frau Nachbarin haben mich mindestens zwei schlaflose Nächte gekostet. Ich hatte, noch unter dem Eindruck des Gelesenen, das Manuskript am kommenden Tag mit in Bertis Laden genommen, allerdings ohne ihm zu sagen, von wem es stammte. Berti brauchte für die Lektüre drei Tage und dann noch zwei Bier bei Willi. Er druckste herum, wie ich es sonst nicht von ihm kenne, fragte seltsame Dinge, so nach dem Motto, ob mir die Antwort sehr wichtig sei, und ob ich in einem besonderen Verhältnis zu dieser Autorin stehe. Endlich ging mir ein Licht auf, und ich lachte. „Keine Bange! Ein anonymer Verlag reicht mir! Und die schriftstellernde Dame steht mir nicht nahe, wenn Dir das hilft.“

Lächelnd gab Berti mir den braunen Umschlag zurück. „Die Geschichte hat durchaus Struktur, und sie ist, was Sprache und Stil angeht, auf einem guten Niveau. Aber leider hat die Autorin überhaupt kein Erzählpotential. Das ist kein Leben, sondern eine Lebensbeschreibung. Die Figuren handeln nicht, sie sinnieren, reflektieren, lamentieren. Und das in einer Weise, die sehr alltäglich und deshalb wenig originell ist.“ Er schaute mich mit seinem typischen Berti-Blick an und fügte hinzu: „Es mag zwar interessant und fesselnd sein, ins Seeleninnere eines anderen Menschen zu blicken, aber eben nur, wenn man das Original zum Vergleichen kennt. Ich bin mir sicher, dass das Interesse für diese Geschichte schon für Leser in Offenbach aufhören würde.“ Berti prostete mir zu. „Dein Problem ist, mein Lieber, dass du dich davor drückst, einen Absagebrief zu verfassen, stimmt’s? Aber das gehört nun mal zum Geschäft eines Verlegers. Besonders dann, wenn er gar keine Bücher verlegt.“

Ich prostete zurück und versuchte ein Grinsen. Das Bier schmeckte mir heute nicht. Berti hatte recht. Lebendig war die Geschichte für mich geworden, weil ich sie mit der lebenden Frau Friedemüller quasi unterfüttert hatte. Weil ich wissen wollte, warum sie war, wie sie war. Ich steckte den Umschlag weg. Wie brachte man einem Menschen bei, dass sein Schicksal zwar ein bedauernswertes, aber eben kein außergewöhnliches war? Dass Schriftsteller sein mehr bedeutete als das orthografisch korrekte Aufschreiben eines Sachverhaltes?

Zwei Nächte später hatte ich genau zehn Zeilen zuwegegebracht. Standardkram mit hoffentlich einer tröstenden Note. Ich rief Ad an und bat ihn um ein Blankoformular für Absagen, woraufhin er laut lachte und rief, ob ich es immer noch nicht kapiert hätte … „Das läuft alles online, Kumpel! Oder willst du unseren Verlag wegen exorbitanter Portokosten ruinieren?“ Er sagte tatsächlich: unser Verlag.

Ich bastelte mir notgedrungen einen Lektoratsabsagebrief mit Thoni-Logo, unterschrieb mit unleserlicher Unterschrift, steckte Brief und Manuskript in einen neuen Umschlag und warf ihn nach der Arbeit an der Hauptpost ein. Als ich nach Hause kam, putzte Frau Friedemüller trotz Eiseskälte die Hauseingangstreppe und rief mir ein freundliches „Guten Abend!“ zu. Ich rief zurück, dass ich heute vom Lektor die Nachricht bekommen habe, dass das Manuskript geprüft und mit einer Antwort alsbald zu rechnen sei. Frau Friedemüller strahlte mit frostroten Händen und ich fühlte mich wie der letzte Arsch.

Montag, 20. Februar 2012

Intimste Erlebnisse.

Mittwoch, 15. Februar 2012.
Der Verleger. Tagebucheintrag. (18)


Nein, die Sache geht mir nicht aus dem Kopf, weiß der Teufel, warum. Nachdem die Friedemüller entschwebt war, machte ich mir eine ordentliche Stulle und zapfte ein großes Glas … nein, kein Bier! Das trinke ich nur bei Willi. Meistens zumindest. Ich liebe den Geschmack von kühlem Leitungswasser – dazu ein frisches Brot, und schon geht`s mir prima! Manchmal habe ich den Verdacht, ich war in meinem vorangegangenen Leben Schwerverbrecher.
Ich stellte das Tablett auf den Wohnzimmertisch, schaltete den Fernseher ein, räumte Bertis Bücher und die Zeitungen weg: Tja, da lag er, der widerliche braune Umschlag. Ich dachte an die hartnäckigen Zusendungen des lieben Herrn Hundekötter, den ich wohl bis ans Lebensende nicht vergessen würde, und war auf allerhand gefasst. In der Tat: ein ordentliches Bündel Papier, aber im Gegensatz zum Hundekötterschen Opus ganz gut strukturiert und – soweit ich bei der ersten Durchsicht feststellen konnte – ohne größere orthografische Sünden verfasst. Sogar ein Exposé war beigefügt, das allerdings nur bedingt neugierig aufs Lesen machte. Autobiografischer Roman klingt nicht wirklich nach spannender Story, wenn die Protagonistin Friedemüller heißt und seit Jahren als nachbarschaftliche Nervensäge bekannt ist. Ich biss in meine Stulle und fing lustlos an zu lesen.

Als ich aufhörte, liefen im Fernsehen die Spätnachrichten, und was dazwischen gesendet worden war, hatte ich nicht mitbekommen. Dass diese langweilige Person so ein bewegendes Schicksal hatte, machte mich betroffen. Aber vielleicht war alles nur ausgedacht? Der Gedanke ging so schnell wie er kam. Ich fühlte, dass das ein ehrlicher Lebensbericht war, die Geschichte eines unglücklichen kleinen Mädchens, das noch immer nach der Geborgenheit und Liebe suchte, die es nie bekommen hatte. Weder vom Vater, noch vom Stiefvater, noch von ihren Ehemännern. Ich hatte nicht gewusst, dass sie schon zweimal verwitwet war; selbst ihren zweiten Mann hatten wir nicht mehr kennengelernt. Tja, und dann war ich am Ende des Blätterstapels und ratlos. Dass sie ihr Leben aufschrieb, na gut. Aber warum legte sie es in die Hand eines Menschen, den sie doch sicherlich genausowenig mochte wie er sie? Warum wollte sie unbedingt, dass ihre traurigsten, peinlichsten, intimsten Erlebnisse und Gedanken öffentlich wurden?

Ich steckte den Stapel Manuskriptblätter in den Umschlag zurück. Ad konnte ich das unmöglich geben. Ich dachte an Bertis Laden und versuchte mir vorzustellen, dass neben rosalila Schmachtpoesie und bluttriefenden Regiothrillern demnächst das zwischen Buchdeckel gequetschte Leben meiner Nachbarin stünde.

Freitag, 17. Februar 2012

Dichter.

Sonntag, 12. Februar 2011.
Die Autorin. Meine kleine Gedichtesammlung. (9)


Gedacht
Ist schnell
Geschrieben
Sätze strömen
Zeilen füllen
Wörter-Mehr

Vieles fühlen
Feilen fehlen
Gedruckt getrieben
Geschichten blieben
Liegen Lügen
Seiten leer

Backmischung.

Freitag, 10. Februar 2012.
Die Autorin. Meine kleine Gedichtesammlung. (8)


Habe heute früh mit dem Verlag telefoniert. Ganz angetan waren sie vom Manuskript, bis auf ein paar winzige Kleinigkeiten, und, natürlich: die Länge! Es sollte schon im vorgegebenen Rahmen bleiben, zumal das ja eine Serie werde, und da solle auch vom Umfang her Kontinuität gewährleistet sein. Der Leser erwarte das. Ach! Was der Leser so alles erwartet und will und weiß und tut! Wie ich sie hasse, diese imaginären Leser, die ja, wie wir alle wissen, in der Mehrzahl Leserinnen sind. Ich hasse sie, weil sie diesen Schmus kaufen und damit den Verlagsfuzzis die Vorlage liefern für ihre immer neuen Forderungen nach Figuren-Folter und Wort-Mord!

Ich komme mir vor, als wäre ich Frauchen Semmelblöd, das in den Supermarkt geschickt wird, um die passende Backmischung zu holen, damit der Kuchen auch garantiert gelingt. Na klar, wenn ich die Zutaten selbst zusammenschütte, vielleicht sogar etwas Neues hinzufüge, kann es sein, dass dem Besuch mein Backwerk nicht mundet und er zum nächsten Kaffeekränzchen nicht wiederkommt. Aber gibt es nicht schon genügend andere, die liebend gern genau das Passende für solcherart Visite zusammenrühren? Warum hat man aufgehört zu hoffen, dass es irgendwo Leutchen geben könnte, die gern mal was anderes probieren würden als immer den gleichen Käsekuchen? Warum hegt man nicht ein Fünkchen Zutrauen in meine Fähigkeit, auch anderes schmackhaft backen zu können? Eine Geschichte, die überrascht, die den Zauber zurückbringt, der mich einst in die Welt der Bücher entführte, ein Zauber, der so stark war, dass ich in dieser Welt nicht nur konsumieren, sondern auch produzieren wollte.

Ich will Geschichten DENKEN dürfen, nicht Schablonen nachzeichnen: Mosaike will ich legen! Ich will nicht erzählt bekommen, warum ich was wie schreiben soll, weil der Leser es so lesen will, sondern ich will so erzählen, dass der Leser genau das unbedingt lesen will! Am liebsten hätte ich ins Telefon gebrüllt: Wann begreift ihr es endlich? Ich bin SCHRIFTSTELLERIN und keine SCHREIB-MASCHINE!
Und was macht die brave Anne? Schluckt und sagt: Ja, ich überleg‘s mir. Und jetzt sitze ich vor dem bescheuerten Manuskript und verfluche den Tag, an dem ich beschloss, meinen ersten Roman zu schreiben.

Mittwoch, 15. Februar 2012

Manuskriptprüfungsprocedere.

Dienstag, 14. Februar 2012.
Der Verleger. Tagebucheintrag. (17)


Gestern klingelte Frau Friedemüller. Na ja, klingeln klingt harmlos, aber ich bin sicher, dass sie seit dem Nachmittagstee hinter der Gardine lauerte und meine Ankunft erwartete. Und ich war ausnahmsweise recht früh dran und gerade dabei, die Schuhe auszuziehen. Einen schönen guten Tag wünschte sie mir, und man habe sich ja nun doch eine Weile nicht gesehen, ich sei wohl sehr beschäftigt? Dann hielt sie mir ein leeres Schüsselchen hin: Ob ich vielleicht ein bisschen Zucker für sie hätte? Sie sei am Kuchenbacken und habe zu wenig eingekauft.
Ich hätte kontern können: Erstens: Kuchen am frühen Abend – für wen? Zweitens: Zu wenig eingekauft, wo es im Hause Friedemüller einen Vorratskeller gibt, in dem bis unter die Decke Lebensmittel für die Überlebensdauer einer fünfköpfigen Familie von ein bis zwei Jahren lagern? Zweitens weiß ich übrigens von meiner Ex, die das Vergnügen hatte, eine theoretische und praktische Einführung in die Kunst der Lebensmittel-Bevorratung genießen zu dürfen, so von Frau zu Frau. Was nicht dazu beitrug, das nachbarschaftliche Verhältnis zu optimieren. Nun ja, da stand nun die Hüterin der Halden mit der Schüssel vor mir, und dachte wohl, Zucker habe jeder im Haus. Ich war mir sicher: Die wollte nur rein und mich bebabbeln!

Ich setzte eine bedauernde Miene auf. „Es tut mir außerordentlich leid, aber mit Zucker kann ich nicht dienen. Seit meiner Scheidung habe ich ein neues Diätprogramm, und danach ist Industriezucker absolutes Gift für den Organismus.“
Ihre bedauernde Miene übertraf meine um Längen. „Äh, ja. Das ist schade. Ich wollte nämlich … Nun: Ich dachte, ich frag wegen Zucker und bringe Ihnen dafür nachher ein Viertelchen frischen Käsekuchen vorbei. Aber damit wird`s ja dann wohl nichts.“
KÄSEKUCHEN? Wenn die Nervensäge überhaupt irgendwas Gutes kann, dann Käsekuchen backen! Am Anfang unserer nachbarschaftlichen Beziehung hat sie mal ein paar Stückchen vorbeigebracht, und ich gebe zu: Niemals davor und danach habe ich etwas derartig Köstliches gegessen. Leider verdarben die verbalen Begleitumstände den Genuss dann doch etwas.
Während mir das Wasser im Mund zusammenlief, schüttelte ich tapfer den Kopf. Nein, der Zucker sei leider wirklich aus. Und dann trat ein, was ich befürchtete: „Wo ich schon da bin: Könnten Sie mir vielleicht sagen, wann Ihr Lektorat die Prüfung meines Manuskriptes abgeschlossen haben wird?“

Grmpf! Ich gebe es zu: Ich hatte das Teil zwar von der Garderobe ins Wohnzimmer geräumt, aber auf der nämlichen Ablagefläche türmen sich nun ein Stapel Tageszeitungen und Bertis Bücher. Nicht mal aus dem Umschlag genommen hatte ich das Zeug. Ich murmelte ein: „Ich werde gleich morgen mal nachfragen“ in meinen nicht vorhandenen Bart. Bevor sie etwas erwidern konnte, fügte ich hinzu: „Wissen Sie, unser Manuskriptprüfungsprocedere sieht die Doppelsichtung einer jeden Einsendung vor, damit sichergestellt ist, dass eine Ablehnung nicht aufgrund der subjektiven Laune eines einzigen Prüfers erfolgt.“
Was soll ich sagen? Der Zucker war vergessen, der Käsekuchen wohl auch. Frau Friedemüller konnte tatsächlich schweben. Mit einem Seufzen schloss ich die Tür und zog endlich Handschuhe und Mantel aus.

Montag, 13. Februar 2012

Trends.

Montag, 13. Februar 2012.
Der Chronist. Medienauswertung. (16)


Die Verlagstrends 2012: Kunden, Marke, Service, Semantik, Innovationsmanagement
Am Jahresanfang wagen wir immer einen Blick auf kommende Entwicklungen. Diese Tradition wollen wir auch 2012 fortsetzen, nicht ohne auf die weiterhin gültigen Trends aus 2011 zu verweisen. Lesen Sie, welche zusätzlichen Trends wir sehen. Stimmt das mit Ihren Erwartungen überein?

Vom Kundenbedarf zum Konzept zum Produkt
Die Filmindustrie hat den Bogen schon länger raus: Würde man hier stets auf die Eingebung eines Drehbuchautors warten, hätte sich die Filmindustrie niemals so entwickeln können. Ihr Ansatz: Am Anfang steht das Konzept, danach werden die Kreativen (Autoren, Regisseur, Schauspieler etc.) gesucht. In vielen Verlagen (auch im Fachverlagsbereich) geht es umgekehrt: Am Anfang steht der Autor, die Lektorate sind als Goldnuggetsuchende mit der Manuskriptsichtung beschäftigt. Doch diese Arbeitsweise wird immer öfter durch eine markt- und kundenorientierte Vorgehensweise ersetzt: Am Anfang steht der Kundenbedarf, dann folgt das Konzept, dann erst werden Autoren (und andere Kreative) gesucht.

Markenaufbau hat oberste Priorität
Wenn Verlage wie gehabt mit Autoren zusammenarbeiten, spüren sie die Grenzen: Viele Autoren geben Verlagen längst nicht mehr alle Verwertungsrechte, manchmal bleibt auch die Marke beim Autor. Deshalb wird es Ziel von Verlagen sein, die Marken selbst zu besitzen. Beispiele im Buchbereich finden sich vor allem im Kinderbuch (Vorbild ist Coppenrath). Aber auch im Erwachsenenbereich gibt es Beispiele (wie Perry Rhodan), die zeigen, welchen Vorteil Verlage durch Markenbesitz haben. Im Zeitschriftenbereich ist das Thema schon länger aktuell, aber auch hier entdecken viele Verlage erst die Chancen konsequenter Markenführung.

Markeninhalte oder Serviceprovider: Die beiden Basisstrategien für Verlage
Verlage mit starken Marken können weiterhin auf Content setzen - das zeigt sich bei Beck, bei Heise oder beim Deutschen Fachverlag (und natürlich bei allen Publikumsverlagen mit einzigartigen Autoreninhalten). Verlage ohne derart starke Marken setzen vermehrt auf Service für Leser und für Anzeigenkunden. Beispiele hierfür sind der Müncher IT-Spezialist IDG, der sich eindeutig als Serviceprovider positioniert, aber auch WoltersKluwer, das mit dem neuen Jurion-Portal eine personalisierte Arbeitsumgebung für seine Kunden schaffen möchte.

Quelle: http://publishing-business.blogspot.com/2012/02/die-verlagstrends-2012-kunden-marke.html , Freitag, 3. Februar 2012, Stand: 4.2.2012 (Auszug)

Sonntag, 12. Februar 2012

Früher auch Globen.

Sonntag, 12. Februar 2012.
Der Chronist. Medienauswertung. (15)



Wetzlar bald ohne Buchhandlung Dietrich?

Waltraud Schirmeisen will ihre Buchhandlung, die sie in dritter Generation führt, Ende Februar schließen. Einen Nachfolger gibt es bislang nicht: Schweren Herzens hat die Buchhändlerin ihren Mitarbeitern bereits gekündigt.

Seit 54 Jahren wirkt Waltraud Schirmeisen in der rund 90 Quadratmeter großen Buchhandlung: "Seit ich 14 Jahre alt bin, arbeite ich", so die Buchhändlerin. "Eine 60-Stunden-Woche macht einem nichts aus, wenn man mit Herz und Seele an seinem Beruf hängt", meint die 68-jährige. In ihrem allgemeinen Sortiment finden sich neben Reiseführern und -literatur schwerpunktmäßig Taschenbücher sowie Titel zum Thema Kochen. Alles was man braucht, um eine Kultur kennenzulernen. Auch Landkarten kann man in der Buchhandlung Dietrich erwerben. "Früher hatte ich auch Globen", erzählt Schirmeisen. Ein zweites Standbein der Buchhandlung sind Schreibwaren und Papeterieartikel.
Der Umsatz des traditionsreichen Sortiments, das ihr Großvater 1889 gegründet habe, sei früher höher gewesen. Die Einkaufscenter, die vor einigen Jahren in Wetzlar eröffnet hätten, haben die Kundenfrequenz messbar sinken lassen. Ohne ihre treuen Stammkunden, die ihr sehr fehlen werden, so Schirmeisen, hätte sie schon zu einem früheren Zeitpunkt schließen müssen.
Einen Nachfolger habe sie bisher nicht gefunden, so die Buchhändlerin, auch wenn es durchaus Gespräche gebe. Ihren beiden Mitarbeiterinnen musste sie darum die Kündigung aussprechen.
Auch wenn es Schirmeisen schwer fällt, den Verlagen Bücherkisten zuzuschicken und ihre Regale zu leeren, freut sich die 68-jährige bereits auf ihren Ruhestand. Den will sie aktiv verbringen: "Ich will jetzt auch reisen, zum Beispiel in die Toskana oder nach Rom. Ich kann nun all das machen, wozu ich vorher keine Zeit hatte."
kum

1 Kommentar/e

Schade...25.01.2012 09:43h
Schade, wieder eine Buchhandlung weniger. Leider gibt es keinen Nachfolger der Bereit ist, die Buchhandlung zu übernehmen.

Quelle: http://www.boersenblatt.net/483682 , Sortiment, 25.01.2012/Schließung
Stand: 27.1.2012

Samstag, 11. Februar 2012

Vorsätze und Umsätze.

Freitag, 10. Februar 2012.
Der Verleger. Tagebucheintrag. (16)


Ein neues Jahr. Vorsätze … keine Zeit, sie umzusetzen, die Vor-Sätze, denn es zählen ja die Um-Sätze. Und die umständlichen Sätze. Und der Arbeitskreis, dieses Unwort des Jahrzehnts, das aus dem Duden gestrichen gehört. So ein Tagebuch ist wirklich herrlich, um Dampf abzulassen, und davon habe ich nun wirklich genug im Kessel. Außerdem darf ich mir hier – Berti wird es verzeihen – generös den einen oder anderen Schnitzer erlauben, sprachlich, und beim Abwiegen politischer Korrektheit, und sowieso.

Während die liebe Frau Libeskinnt nicht müde wird, uns korporatend zu infizieren, geht mir dieser Quark gehörig auf den Wecker. Und nicht nur mir! Allerdings kann man dieser Maßnahme nicht absprechen, dass sie gleichwohl zu einem Solidarisierungsprozess der Mitarbeiter führt, allerdings auf andere Weise als von Frau L. gewünscht. Aber gegen gemeinsinnstiftende Logos war ich schon immer immun, auch wenn sie noch so hübsch animiert durch Powerpointpräsentationen hüpfen. ICH VERWEIGERE MICH. Dem Arbeitskreis. Der Identity und dem Rest sowieso. Meine Hülle geht hin, sondert Sprechblasen ab, deren Inhalt mein Hirn gar nicht mehr erreicht, und die Ohren stelle ich auf den gleichen Durchzug wie die Vorzimmerdame vom Chef, wenn ein Kunde anruft, um sich zu beschweren. Der Chef und ich werden uns niemals liebhaben und solidarisieren werden wir uns schon gar nicht. Das mit uns klappt nur, weil er weiß, dass er mich braucht, und weil ich weiß, dass ich am Monatsersten von irgendwas die Hypothek fürs Haus und die Alimente bezahlen muss.

So! Genug Adrenalin abgebaut, jetzt kann ich zu den angenehmen Dingen kommen: Gestern habe ich einen Tag frei genommen und nach einem herrlichen Frühstück in meinem winzig kleinen Wintergarten (Manche Ideen von Ex-Frauen sind auch nach dem Auszug noch lobzupreisen!) bin ich zu Berti in den Buchladen, und dann haben wir Bücher studiert … neue und alte. Und dann kamen tatsächlich zwei Kunden, richtiger: Kundinnen, und wir fingen an zu diskutieren und zu kritisieren und zu schwärmen, und es war fast so schön wie im Isländischen Pavillon auf der Buchmesse. Eine der beiden wollte nicht nur Belletristisches, sondern fragte nach einem guten Buch über Whisky. Zum Verschenken? fragt Berti. Sie guckt ihn böse an: Ja! Und zwar für mich.
Und Berti lachte, holte seinen besten Stoff aus dem Keller und wir tranken alle ein Glas. Herrlich war`s! Und den Abend haben Berti und ich bei Willi ausklingen lassen. Und kein Ad war da und kein nervender Reporter, und auch sonst nichts, das uns vom seligen Gedanken abgebracht hätte, dass die Welt einfach wunderbar ist.

Nur um Werner mache ich mir Sorgen. Habe seit dem letzten Treffen nichts mehr von ihm gehört.