Samstag, 28. Januar 2012

Aktennotiz.

Samstag, 28. Januar 2012.


Es ist interessant festzustellen, wie sich die Inhalte der Medienauswertung des Chronisten an seine Vorlieben angepasst haben. Was man nicht versteht, kann als gutes Argument dienen, es nicht zu berücksichtigen, da es ja scheinbar irrelevant ist.

Was im Fall Thoni, nähme man die Sache ernst, durchaus zutrifft. Aber für den Herrn Chronisten zählt anscheinend nur der Schein, nicht die Wahrheit. Falls es die überhaupt irgendwo gibt, die Wahrheit.

gez. E.

Sonntag, 22. Januar 2012

Gebunden ist besser.

Freitag, 20. Januar 2012.
Der Chronist. Medienauswertung. (13)
 

 
"Der Spiegel" modifiziert die Bestsellerkriterien

 
Das Nachrichten-Magazin "Der Spiegel" passt die Kriterien für seine Bestseller-Listen an: Künftig sollen Hardcover und „weich“ gebundene Formate wieder eindeutiger getrennt werden, heißt es in einer Mitteilung. Die Änderung soll in sechs Monaten greifen.
Folgende formale Kriterien werden mitgeteilt:

 
  • In der SPIEGEL-Bestsellerliste werden ausschließlich fest gebundene Bücher (Hardcover) berücksichtigt.
  • Die SPIEGEL ONLINE-Liste wird zur „Taschenbuch/Paperback“-Bestsellerliste umbenannt; hier werden klassische Taschenbücher, Paperbacks und Broschuren berücksichtigt.
  • Die Umstellung erfolgt zum 1. Juli 2012
 
Quelle: Börsenblatt net, Verlage, Hard- und Softcover werden eindeutiger getrennt, 06.01.2012,
 

Donnerstag, 19. Januar 2012

Das Barometer der Paperbacks.

Donnerstag, 19. Januar 2012.
Der Chronist. Medienauswertung. (12)


Barometer des Erfolgs, nicht der Kultur

Die Bestseller des vergangenen Jahres kamen annähernd zur Hälfte aus der Verlagsstadt München. Und es zeigte sich, dass offenbar eine gewisse Unternehmensgröße die Wahrscheinlichkeit erhöht, einen Bestseller zu kreieren. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.
Die Besten der Besten aus der jährlichen Buchproduktion gehören nicht notwendig zu den meistverkauften Titeln. Aber auf Bestseller – finden sie nun bei Kritikern Gnade oder nicht – kann kein Verlag verzichten, der ein breitgefächertes, anspruchsvolles Programm finanzieren will. Wie man weiß, lässt sich der Aufstieg in die Buchcharts nicht wie eine Gebirgsexpedition planen (und selbst diese scheitert nicht selten vor dem Gipfel). Immer wieder gibt es Flops oder unkalkulierbare Überraschungserfolge wie "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" von Jonas Jonasson. Kein Zufall ist es allerdings, dass dieser Titel aus einem Konzernverlag stammt – dem jungen Random-House-Imprint Carl's Books. Ein Blick in die Bestseller-Jahresstatistik zeigt, dass fast die Hälfte der Toptitel des vergangenen Jahres aus München kommt, wo unter anderen Random House und dtv sitzen. Eine gewisse Unternehmensgröße erhöht offenbar die Wahrscheinlichkeit, Bestseller zu landen.

Im Falle von dtv kommt aber noch ein anderer Faktor hinzu: das Buchformat. Dass allein neun Belletristiktitel aus dem Münchner Verlagshaus auf den vorderen Plätzen vertreten sind, und Jussi Adler-Olsens Buch "Erlösung" der meistverkaufte Titel 2011 war, ist neben dem Talent der Autoren und Programmmacher auch den gut gemachten, bezahlbaren Paperbacks zu verdanken. Ein Beispiel, dem andere Verlage wie Lübbe folgen werden. Das Hardcover mit Schutzumschlag verliert an Beliebtheit, hält sich am ehesten noch im Sachbuch.
Schaut man sich die Genres an, so dominieren in der Belletristik Crime, Fantasy und Sex; im Sachbuch werden Biografien und Politiker-Bücher gern gelesen – und bei den Ratgebern geht alles gut, was auf bewusstes Essen abzielt. So gesehen spiegeln die Bestseller des Jahres drei Grundbedürfnisse: die Lust auf gute Unterhaltung, die Neugier auf große, prominente Geschichten – und den Appetit auf unverfälschte Nahrung. Ein Barometer für die Kultur sind sie nicht – und wollen es auch nicht sein.

Quelle: Börsenblatt net, Jahresbestseller, , 05.01.2012, http://www.boersenblatt.net/468457,Stand: 9.1.2012

Sonntag, 15. Januar 2012

Einmal slow, bitte.

15. Januar 2012.
Der Chronist. Medienauswertung. (12)



"Wir haben einen Nerv getroffen"
Interview mit Strategieberaterin Sabria David

2011 hat die Branche intensiver denn je über ihre Zukunft nachgedacht, getrieben vom technischen Innovationsdruck. Die Forscherin und Strategieberaterin Sabria David empfiehlt: Runter vom Gaspedal. Und hält dem Fast Food der Märkte ihre Slow-Media-Idee entgegen. Gedruckt wie digital.

Die großen Trends entstehen heute in Technologieunternehmen – Verlage und Buchhandlungen hetzen hinterher. Stimmt diese These überhaupt?
Mir ist ein anderes Bild lieber: ein Mobile. Daran lässt sich recht gut zeigen, wie sich Medien verändern – und vielleicht auch, warum sich manche so gehetzt fühlen, oder auch bedrängt.

Können Sie das Bild erklären?
Ein Mobile ist ein System aus einzelnen frei hängenden Elementen, die aber dennoch zusammenhängen. Wenn Sie aus diesem System ein Element wegnehmen oder mehrere neue, vielleicht sogar sehr gewichtige Elemente dazuhängen, gerät das Gleichgewicht erst einmal durch-einander. Ruhe kann da erst wieder einkehren, wenn jedes Element seine neue Position gefunden hat.

Und wie ist der Status quo mit Blick auf die Buchwelt?
Mit den digitalen Medien und Kulturtechniken sind sicher gewichtige Elemente dazugekommen. Das Mobile schwingt heftiger denn je, kaum etwas läuft noch wie vorher. Das neue Gleichgewicht ist noch nicht wieder hergestellt. Wir bewegen uns in einer Phase des Suchens – und damit des Fragens. Beim Buch geht es zum Beispiel um die Frage nach den Eigenschaften: Darum, welche das Medium abgeben muss und welche sich mehr in den Vordergrund holen lassen. Generell denke ich, dass sich das Buch mehr auf sich selbst besinnen muss. Oder anders gesagt: dass das Buch mehr zum Buch werden muss.

Dreht sich das Buch denn überhaupt noch im Zentrum dieses Medien-Mobiles?
Es ist noch zu früh, das zu sagen. In puncto Geschwindigkeit, also immer dann, wenn es nur um schnellen Informationskonsum geht, wird das Buch künftig nicht mehr mithalten können – was aber nicht heißt, dass es deshalb gleich abgehängt wird. Das Buch hat Zukunft, wenn Produzenten und Händler sich stärker auf das Besondere des Mediums fokussieren – auf das Einzigartige, das nicht durch das Digitale ersetzbar ist.

Worin besteht dieses Einzigartige?
Es ist die Aufgabe, auch selbstverständliche Eigenschaften des Buchs wiederzuentdecken. Die Materialität zum Beispiel. Aber ich will da gar nicht vorgreifen. Das ist ein Prozess.

Darüber denkt die Buchbranche seit Jahren nach. Läuft etwas falsch?
Warum denn falsch? Alle stehen mittendrin in einem Wandel. Es ist nicht die Zeit der fertigen Konzepte, sondern eine, in der jeder nach neuen Strukturen sucht. Wichtig ist dabei nur eines: dass man nicht übers Ziel hinausschießt und möglichst konstruktiv und unideologisch nach neuen Konzepten sucht.

Sie raten der Buchbranche zu Geduld?
Unbedingt. Und auch dazu, nicht weiter auf den Frontenkampf zwischen digitalen Medien und Printmedien einzugehen. Erfahrungsgemäß sind solche Debatten ziemlich unfruchtbar. In welchem Kontext ist welches Medium sinnvoll, das ist doch die Frage.

Haben Sie deshalb vor zwei Jahren Ihr Slow-Media-Manifest verfasst?
Ja. Die Situation war damals so: Auf der einen Seite gab es Leute, die sagten, das Internet sei die Lösung für alles, und die Zeit der Holzmedien ein für allemal vorbei – während die andere Seite meinte, Qualität gebe es nur auf Papier. Aus unserer Sicht stimmt weder das eine noch das andere: Qualität hängt nicht von der Darreichungsform ab. Es gibt genauso gut Schrott auf Papier wie es qualitativ hochwertige und vertiefende Information im Internet gibt. Diese Erkenntnis brachte uns schließlich zu der Frage: Wenn Qualität nicht davon abhängt, ob Inhalte auf Papier oder als Pixel daherkommen – wovon dann? Die Antwort haben wir später in 14 Thesen niedergeschrieben.

Mit welchem Ziel?
Einen dritten Weg aufzuzeigen. Slow Media ist kein Medienformat, sondern eine Art, Medien zu produzieren und zu nutzen. Damit sind Medien gemeint, die auf eine langfristige Bindung zielen, die Gespräche anregen, diskursiv und dialogisch sind. Und die gern empfohlen werden.

Wie slow ist die Welt seit der Veröffentlichung des Manifests geworden?
Sie hat sich zwar nicht total verändert, aber es ist schon viel in Bewegung gekommen. Über das Manifest wird weltweit und in vielen Zusammenhängen diskutiert – das zeigt, dass wir damit einen Nerv getroffen haben. Die Menschen spüren, dass die alten Strukturen nicht mehr funktionieren, wissen jedoch noch nicht, welche neuen Strukturen sich für ihre Zwecke eignen. Diese Übergangsphase dauert möglicherweise noch fünf bis zehn Jahre. Der Slow-Media-Ansatz kann da praktikable Lösungen und Orientierung bieten, weil er gerade über diese Transformation spricht und den Wandel strukturell einbezieht.

In Ihren Thesen ist von fokussierter Wachheit die Rede, von Nachhaltigkeit, Monotasking, Qualität: Ist das Konzept nicht zu abstrakt, um praktikabel zu sein?
Abstrakt ist es allenfalls auf den ersten Blick. Uns geht es um die Haltung, mit der man etwas produziert – und mit der man als Medienhaus seinen Lesern gegenübertritt. Konkreter Fall: die Rubrik »Ein Blick in die Zeit« von Giovanni di Lorenzo unter zeit.de. Einmal pro Woche berichtet der Chefredakteur über die Entstehung der aktuellen Printaus¬gabe – das Video dient als Appetizer, regt Gespräche an, nimmt die Leser mit, bindet sie. Das ist vom Grundgedanken her sehr slow und könnte sich als Idee auch bei Buchverlagen durchsetzen. Diskursivität halte ich für ein sehr zentrales Thema: Sie ermöglicht verlässliche Bindungen und Loyalität bei Kunden.

Einige Buchhandelsfilialisten bauen derzeit ihre Läden um. In den Regalen stehen jetzt weniger Bücher, dafür gibt es mehr Spielwaren, Büromaterial und Deko-Artikel. Wie slow ist das?
In einer solchen Convenience-Atmosphäre geht es eher um den schnellen Konsum – als um Slow Media. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich hier loyale, langfristige Bindungen einstellen.

Im Sinne von Slow Media: Wie ließe sich das ändern?
Indem das Buch, das Lesen kultiviert wird, das Sprechen über Bücher, der Austausch. Buchhändler müssen ihren Kunden einen guten Grund geben, warum sie zu ihnen kommen sollen – und nicht via Internet bestellen.

Das klingt nach einem Nischenkonzept. Sind Slow Media eventuell nur etwas für eine kulturbeflissene und zahlungskräftige Elite?
Reflektiertheit ist nie ein Massenphänomen. Es gibt immer ein Nebeneinander von Nische und Masse, Leute, die gern im Supermarkt, andere, die lieber auf dem Wochenmarkt einkaufen. Oder Tage, an denen man lieber dies oder das andere tut. Das schließt sich nicht aus. »Slowe«, nachhaltige Konzepte werden aber immer wichtiger. Man kann die Dinge nicht mehr nur kurzfristig sehen und nur auf einen schnellen Return on Investment hinarbeiten. Das gilt nicht nur für Medien.

Und wenn das Geld knapp wird?
Slow zu handeln muss nicht viel kosten, es hat eher mit einem strategischen Blick nach vorn zu tun. Buchhandlungen und Verlage sollten nachhaltiger denken – in Konzepten, die länger tragen als nur bis morgen. Loyalität und Bindung aufzubauen, rentiert sich nun mal nicht am nächsten Tag.

Trauen Sie der Buchbranche zu, dass sie das schafft?
Ja, weil sie experimentierfreudig genug ist. Die Verwirrung, die gerade herrscht, ist doch nicht ungewöhnlich. Und sie wird auch nicht von Dauer sein. Neue Strukturen werden sich in den nächsten Jahren herauskristallisieren und bewähren.

Quelle: Börsenblatt net, Interview, 29.12.2011, http://www.boersenblatt.net/467475 , Stand: 1.2.2012



Das Slow Media Manifest | Kurzversion

Diese Kurzfassung des Slow Media Manifestes erschien anlässlich des 22. medienforum.nrw am 30. Juni 2010

Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts haben sich die technologischen Grundlagen der Medienlandschaft tiefgreifend verändert. Nun wird es darum gehen, angemessene Reaktionen auf diese Medienrevolution zu entwickeln – sie politisch, kulturell und gesellschaftlich zu integrieren und konstruktiv zu nutzen. Das Konzept “Slow” ist ein wichtiger Schlüssel hierfür. Analog zu Slow Food geht es bei Slow Media nicht um schnelle Konsumierbarkeit, sondern um Aufmerksamkeit bei der Wahl der Zutaten und um Konzentration in der Zubereitung. Slow Media sind auch einladend und gastfreundlich. Sie teilen gerne.

1. Slow Media sind und wirken nachhaltig
Sie zielen auf Nachwirkung, werden fair und umweltgerecht herstellt. Nutzer kommen gerne zu ihnen zurück.

2. Slow Media fördern Monotasking
Sie laden die Nutzer ein, sich ihnen aufmerksam und konzentriert zu widmen. Nutzer vertiefen sich gerne in sie.

3. Slow Media zielen auf Perfektionierung
Sie verstehen sich als lernenden Organismus, tauschen sich mit der Außenwelt aus und wollen sich kontinuierlich verbessern.

4. Slow Media machen Qualität spürbar
Sie sind gut gemacht und ihre Nutzer suchen diese Qualität gezielt auf.

5. Slow Media fördern Prosumenten
Prosumenten entscheiden bewusst, wie sie Medien rezipieren und produzieren und beteiligen sich aktiv.

6. Slow Media sind diskursiv und dialogisch
Sie suchen und ermöglichen das Gespräch, sprechen und hören zu.

7. Slow Media sind soziale Medien
Sie aktivieren die Entstehung von offenen Deutungs- und Interessengemeinschaften.

8. Slow Media nehmen ihre Nutzer ernst
Sie kommunizieren aufrecht, hierarchiefrei, freundschaftlich einvernehmlich und auf respektvolle Art kontrovers.

9. Slow Media werden empfohlen
Sie rufen danach, zitiert, weitererzählt, verschenkt, geteilt und mitgeteilt zu werden.

10. Slow Media sind zeitlos
Sie sind vielschichtig und können auch Jahre später immer wieder neu rezipiert werden.

11. Slow Media sind auratisch
Sie leben und strahlen eine Präsenz aus, die über das Material, auf dem sie dargereicht werden, hinausweist.

12. Slow Media sind progressiv
Sie bauen auf den Errungenschaften der Netzwerkgesellschaft auf und begegnen neuen Medienmöglichkeiten offen und interessiert.

13. Slow Media zielen auf Verantwortung bei Rezeption und Produktion
Sie fördern einen mündigen Umgang mit Medien und suchen die Kontexte hinter den Informationen.

14. Slow Media werben um Vertrauen und nehmen sich Zeit, glaubwürdig zu sein.
Hinter Slow Media stehen echte Menschen. Und das merkt man auch.

Stockdorf und Bonn, im Jahr 2010

Benedikt Köhler
Jörg Blumtritt
Sabria David


Quelle: http://www.slow-media.net/das-slow-media-manifest-kurzversion , Stand: 1.1.2012

Literatur zum Thema:

http://www.huffingtonpost.com/elissa-altman/move-over-slow-food-intro_b_367517.html
http://marketplace.publicradio.org/display/web/2009/11/17/pm-slow-media/
http://www.huffingtonpost.com/arianna-huffington/announcing-my-first-pick-_b_310544.html
http://blog.oup.com/2008/11/slow_blog/
http://www.shep.ca/?p=132
http://blog.stuttgarter-zeitung.de/?p=5122
http://www.giarts.org/library_additional/library_additional_show.htm?doc_id=448395

Montag, 9. Januar 2012

Blick in die literarische Glaskugel.

9. Januar 2012.
Der Chronist. Medienauswertung. (11)


Rainer Moritz/Gastspiel
Windbeutelblues
Was bringt das neue Jahr? Rainer Moritz schaut in die Zukunft.

Mein allererster Dank gebührt Charlotte Link. Mit ihrem frisch ausgelieferten Roman »Der Beobachter« setzt die Erfolgsautorin dankenswerterweise ein wichtiges Zeichen. Endlich, endlich scheint die triste Zeit vorbei, da man mit Buchtiteln wie »Die Glasbläserin«, »Die Cellospielerin«, »Die Totenwäscherin«, »Die Rosenzüchterin« (ja, auch Sie, liebe Frau Link …), »Die Mondschwimmerin« oder »Die Bernsteinsammlerin« nach all den Heerscharen lesender Frauen schielte, die – so die Hoffnung – am liebsten Geschichten von Frauen mit exotischen Berufen lesen. Damit könnte nun dank Charlotte Links Mut zum Maskulinen Schluss sein, und wir werden es klaglos hinnehmen, wenn Romane künftig »Der Glasbläser«, »Der Cellospieler« und so weiter heißen.

Diese Trendumkehr kann nicht verdecken, dass sich Verlage nicht nur bei Krimis schwertun, zündende, nicht bereits vergebene Titel zu finden. Vermutlich deshalb mehrt sich in der gehobenen Belletristik die Tendenz, die Gattungsbezeichnung gleich in den Haupttitel einzubauen. Was mit Matthias Polityckis »Weiberroman« (…) begann, (…) setzt sich nun mit Kathrin Seddigs »Eheroman« (der übrigens ein brillantes Cover hat) fort – ein Verfahren, das es Autoren, die Eheromane schreiben, erspart, sich famose Titel wie »Die öden Jahre« oder »Der Fremde neben mir« auszudenken.

Was wird uns 2012 noch erfreuen? Wiederentdeckte moderne Klassiker zum Beispiel, denn im Gefolge von Richard Yates oder Thomas Wolfe warten Sherwood Anderson, Hermann Ungar oder die wunderbare Jane Bowles darauf, von Lesern neu gewürdigt zu werden. Man kann ja nicht ständig Gegenwartsromane lesen.
Mit Unbehagen sehe ich hingegen die Ausbreitung kulinarischer Themen, offenbar der kleinste gemeinsame Nenner unserer gebeutelten Kultur (…). Rita Falk scheint mit Werken wie »Schweinskopf al dente« und »Dampfnudelblues« Schleusen geöffnet zu haben. (…)
Und natürlich werden wir 2012 wieder Dichterjubiläen zu begehen haben. Die ersten Karl-May-Biografien sind bereits erschienen, und Autoren wie Gunnar Decker und Heimo Schwilk stehen auf dem Sprung, Hermann Hesses 50. Todestag publizistisch zu begleiten und den »Steppenwolf« auf seine Haltbarkeit hin zu überprüfen. Harry ¬Belafonte hingegen lebt erfreulicherweise noch und veröffentlicht seine umfangreiche Lebensgeschichte »My Song«. Da summe ich schon mal »Island in the Sun« und bin keine Spur traurig darüber, dass 2012 wohl kein einziges Buch von Christian Wulff erscheinen wird.

Quelle: Literarisches Leben. Windbeutelblues (Auszug), http://www.boersenblatt.net/468392, Stand: 9.1.2012

Freitag, 6. Januar 2012

Hoffnung.

28. Dezember 2011.
Der Chronist. Medienauswertung. (10)


HDE-Umfrage vom 27.12.2011
Bücher bleiben beliebtestes Weihnachtsgeschenk

Die beliebtesten Weihnachtsgeschenke der Deutschen sind mit 32,5 Prozent nach wie vor Bücher, gefolgt von Parfum (20 Prozent), Spielen und Spielzeug (18 Prozent), Gutscheinen (17,6 Prozent) und Süßigkeiten (14 Prozent). Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) unter 1.000 Verbrauchern.

Quelle: Boersenblatt-net, http://www.boersenblatt.net/467311/, Stand: 28.12.2011

Mittwoch, 4. Januar 2012

Schräger Schmus.

Sonntag, 1. Januar 2012 (später Vormittag).
Rudi Ratlos. In der Redaktion. (3)


Rudi Ratlos sitzt an seinem Schreibtisch, fährt sich fahrig durchs Haar und starrt auf seinen Bildschirm. Das Telefon klingelt.

Rudi: Ja?

Chef: Könnten Sie mir erläutern, was Sie mit Ihrer kryptischen Mail bezwecken?

Rudi: Ja, nun … erst mal: Ein frohes Neues …

Chef (mürrisch): Frohes Neues. Also – wer soll das bitte lesen wollen: Neues vom Verleger?

Rudi: Ich hab wirklich gute Kontakte in die Pressestelle des Verlags und …

Chef: Wollen die eigentlich irgendwann mal ein Buch zu Potte kriegen? Darüber könnte man ja dann wohlwollend …

Rudi: Ein Verlag, der Bücher publiziert, ist doch so spannend wie Hund beißt Mann! Ich biete dagegen …

Chef: Olle Kamellen! Natürlich wollen wir Mann beißt Hund! Aber darf ich Sie erinnern, dass das laut Ihrer Prognose vor Weihnachten noch der aufstrebende Verlag überhaupt war?

Rudi: Also, unsere Idee …

Chef: UNSERE?

Rudi (verschämt): Äh … nun, durch den guten Draht zur Pressestelle bestünde die Möglichkeit, dass der Lektor ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudert … Ich sag`s Ihnen: Es ist unglaublich, was für einen schrägen Schmus die Leute schreiben! Andere bezahlen Gag-Schreiber, wir dürfen es ganz umsonst drucken! Unsere Leser werden sich kringeln vor Lachen, ich sag`s Ihnen, ehrlich!

Chef (aufgebracht): Sie wollen doch nicht etwa hämische Kritiken über eingereichte Manuskripte veröffentlichen?

Rudi (erstaunt): Wo ist das Problem?

Chef: Haben Sie mal überlegt, WER diese Manuskripte dahin schickt? Unsere LESER! Und dann finden sie sich unversehens mit ihren Elaboraten in ihrer Tageszeitung durch den Kakao gezogen?

Rudi: Man muss es eben nur richtig anfangen.

Chef: Da bin ich aber gespannt!

Rudi (doziert): Neues vom Verleger - Wie die Verlagslandschaft funktioniert. Was wirklich hinter Absagebriefen steckt!

Chef (vergrätzt): Das will doch keine Sau lesen!

Rudi (unbeirrt): Doch, Chef. Das lesen die Leute genau dann, wenn sie das Gefühl bekommen, dass alle anderen doof sind und nur Mist schreiben, während sie selbst als unentdecktes Talent im Meer dieser Beliebigkeit unterzugehen drohen.

Chef: Hm.

Rudi: Das gleiche Prinzip, warum die Leute Trash-TV gucken. Sozusagen als Hoffnungsträger für ihr inneres Selbst: Wie tröstlich, dass es Leute gibt, die …

Chef: Unser Blatt ist kein Trash-TV-Surrogat!

Rudi (unbeirrt): Man muss es so schreiben, dass man halt die Hoffnung nährt, dass man die einzige wahre Perle sucht … die Nadel im Heuhaufen sozusagen – die vielleicht sogar schon eingesandt, nur noch nicht gehoben ist? Na ja, so in der Art halt. Ich habe schon den Rohstoff für mindestens ein Dutzend Artikel.

Chef: Die haben also die Perle womöglich schon entdeckt, und wollen nur noch nicht raus damit?

Rudi: Wenn Sie mich fragen: Jupp.

Chef: Ist Ihr Kontakt so gut, dass wir aktuelle Infos darüber als Erstes kriegen?

Rudi: Klar.

Chef: Na gut. Schicken Sie mir den ersten Artikel rüber.

Rudi: Mach ich! Ich setz` mich gleich dran und morgen früh …

Chef: Heute, Ratlos. Ich gebe Ihnen genau zwei Stunden. Und jetzt sag ich Ihnen was: Wenn die Leute geharnischte Briefe schreiben, fliegen Sie!

Rudi (murmelt): Das ist ja nun nix Neues.

Chef: Wie bitte?

Rudi: Ja, Chef. Sie kriegen den Artikel. Pünktlich.

Montag, 2. Januar 2012

Im Ohrensessel ins neue Jahr.

Montag, 2. Januar 2012.
Der Verleger. Das Tagebuch. (15)


Was sag ich? Kaum bin ich heute Morgen im Büro eingelaufen, überall um mich herum Hektik: Dies und das sei noch zu erledigen, und der Mailkasten verflixt noch mal vom Vorjahr voll, und herrje: Ist ja alles noch viel schlimmer als es im alten Jahr war! Und: Ach, Du Armer, hast ja nicht mal die paar Tage zwischen den Jahren zur Erholung gehabt. Ich sag`s doch: Dummnasen. Mein Stress der vergangenen Tage lässt sich auf eine knappe Viertelstunde am Samstag beziffern: Ich hatte gerade meine „Tagebuch-Mail“ abgeschickt, ja, ja, ich weiß: Irgendwann wird sich irgendwer belustigen, was der olle Blödmann da unter „eigene Dateien“ so alles abgespeichert hat … Also: Ich fahr in Vorfreude auf das erste Bier bei Willi den PC runter – da klingelt es.

Und ich denk mir nix und mache auf … Steht meine Lieblingsnachbarin Frau F. mit einem verpackten, aber unschwer als Sekt zu identifizierenden Präsent vor der Tür, lächelt verlegen, eine Mimik, die mich bei ihr nach wie vor irritiert, und säuselt mir irgendwas von Guten Start ins neue Jahr vor. Ich überlegte krampfhaft, welchen Hintersinn dieser unverhoffte Besuch haben könnte, aber als sie sich überaus beiläufig nach dem Befinden des Thoni-Verlags erkundigte, fiel es mir schlagartig ein! Der vermaledeite braune Umschlag!! Das Sch…ding hatte ich doch glatt auf der Garderobe vergessen! Während sie versuchte, mich in ein Gespräch über den Sinn und Unsinn diverser Jahresabschlussfestivitäten zu verwickeln, dachte ich noch krampfhafter darüber nach, wie ich sie schnellstmöglich aus der Sichtachse Tür – Garderobe bringen könnte. Ich murmelte irgendwas von Lektorat prüft noch und: Da schalte ich mich gar nicht ein, und nach endlosen Minuten schien es endlich anzukommen, dass von mir jetzt und sowieso wegen Unzuständigkeit keine Antwort zu erwarten sei. Was sie irgendwie zu erleichtern schien.
Sie drückte mir die Flasche in die Hand, wünschte mir ein frohes Neues und verschwand. Uff!
Dann hab ich erst mal den Umschlag vom Flur ins Wohnzimmer umdeponiert. Hätte ich gewusst, dass Ad am Abend bei Willi auftauchen würde, hätte ich ihn gleich mitgenommen … Andererseits: So lange, wie Frau F. und ich schon in aufrichtiger Feindschaft verbunden sind, darf ich mir durchaus die Freiheit erlauben, einen Blick auf ihr poetisches Potential zu tun, finde ich. Wenn auch nicht ausgerechnet an Silvester.

Bei Willi war es so rappelvoll, dass Berti und ich sogar unseren Stammtisch mit feierfreudigen Auswärtigen teilen mussten, nachdem Werner trotz Ankündigung doch nicht auftauchte. Dafür kam Ad, quetschte und quatschte sich dazwischen, und später noch der Herr Journalist nomen est omen Ratlos vom NNB; na ja, sonntags erscheint das Käseblatt ja nicht, und ich überlegte, warum ich mich eigentlich auf diesen Abend gefreut hatte … Bertis Miene wurde zunehmend grimmiger, während Ad schneller aufdrehte, als Willi das Bier zum Betäuben beibringen konnte, und ruck zuck hatte der große Zampano das Thoni-Verlags-Gesamtprogramm samt Marketingkonzept für die kommende Dekade erstellt. Und der Rastlos bastelte fleißig mit am neujährlichen multimedialen Vermarktungsprojekt. Ich war wirklich versucht, Ad den ganzen Laden als Silvesterknaller um die Ohren zu hauen, konnte mich dann aber doch nicht dazu durchringen. Und irgendwann mitten in Ads großartigem Redeschwall haben Berti und ich uns einen Blick zugeworfen, und uns hat der Schalk gepackt. Ein Wink zu Willi, und statt aufs Klo sind wir durch die Hintertür raus und – weg! Die paar Meter rüber zur Buchhandlung ging`s auch ohne Jacke. Wie zwei Lausebengel, die gerade einem besonders doofen Lehrer einen supertollen Streich gespielt haben, sind wir in Bertis Laden und haben uns gekringelt vor Lachen.

Hoffentlich hat uns kindische Deppen keiner gesehen! Berti hat seine Uralt-Petroleumlampe in Gang gesetzt, und während ich es mir im Ohrensessel neben dem Tresen gemütlich gemacht hab, hat er im flackernden Licht zwei saugute Whisky ausgeschenkt und nach einem Hocker gesucht. „Am Montag hast du ja doch wieder keine Zeit!“, meinte er grinsend, reichte mir das Glas und eröffnete exakt dreiundvierzig Minuten vor Mitternacht seine persönliche Bestseller-Leseliste für 2012. Herrlich war`s. Und Lesestoff habe ich jetzt bestimmt bis März! Das Feuerwerk haben wir durchs Schaufenster des Buchladens bestaunt, und von Ad und Co. keine Spur mehr gesehen. Das war der herrlichste Silvesterabend seit Jahren!