Dienstag, 28. Februar 2012

Das Ding ist tot.

Dienstag, 28. Februar 2012 (später Vormittag).
Rudi Ratlos. In der Redaktion. (4)


Rudi Ratlos sitzt an seinem Schreibtisch und hackt einen Text in den PC. Das Telefon klingelt.

Rudi: Ja?

Unbekannte weibliche Stimme: Hallo, Rudi.

Rudi: Dürfte ich bitte erfahren, mit wem ich spreche?

UWS: Das weißt du doch, hm?

Rudi (leicht verärgert): Nein!

UWS: Du solltest etwas netter zu deiner Brötchengeberin sein, mein Lieber.

Rudi (stärker verärgert): Ich wüsste nicht …

UWS (lachend): Eine Zeitung ohne Leser wird nicht lange überleben, oder?

Rudi: Könnten Sie mir bitte endlich sagen, wer Sie sind und was Sie wollen?

UWS: Ach, Rudi!

Rudi (aufbrausend): Mein Name ist Ratlos, und ich wüsste nicht, warum wir uns duzen sollten!

UWS (sanft): Ja, ja, das ärgert dich am meisten, dieser dämliche Name, hm?

Rudi: Wenn Sie nicht augenblicklich sagen, was Sie wollen, lege ich auf.

UWS (sehr sanft): Du weißt doch, dass das nichts nützen würde. Aber ich will mal nicht so sein. Also: Ich habe beschlossen, dass es nicht sinnvoll ist, deine Kolumne „Neues vom Verleger“ weiterzuführen.

Rudi (lacht hämisch): Ach? Da sind Sie aber in der Mindermeinung. Die meisten Leser lieben sie.

UWS (freundlich): Die meisten Leser spielen keine Rolle, mein Lieber.

Rudi: Verdammt noch mal! Wenn Sie mir nicht augenblicklich sagen … Hallo? Hallo!
Knallt den Hörer auf den Apparat.

Der Kollege vom Nachbarschreibtisch (neugierig): Wer war das denn?

Rudi: Irgendeine verrückte Tussi, die …

Das Telefon klingelt. Rudi nimmt ab und brüllt in den Hörer: Wer immer Sie sind: Ich hab keine Lust auf Ihren Scheiß!

Chef: Sind Sie jetzt völlig durchgeknallt, Ratlos?

Rudi (verdattert): Äh, entschuldigen Sie bitte, ich dachte …

Chef (verärgert): Sie sollen nicht denken, Sie sollen schreiben, Ratlos.

Rudi: Mach ich ja! Ich habe die Kolumne fast fertig, ich schick sie gleich rüber.

Chef: Geschenkt. Ich hab was Neues für Sie.

Rudi: Wie – geschenkt?

Chef: Diese Woche stehen einige wichtige Lokaltermine an; ich möchte, dass Sie die übernehmen.

Rudi (fassungslos): Ich dachte, das macht der Neue?

Chef: Den hab ich gerade rausgeschmissen.

Rudi: Aber ich muss noch die Kolumne …

Chef: Planen Sie bitte ein paar freundliche Zeilen mehr ein, wenn Sie über den Kaninchenzüchterverein schreiben.

Rudi: Aber Chef! Das können Sie doch nicht machen! Ich muss doch die Texte für die Kolumne …

Chef (ungeduldig): Ich habe Ihnen einen Auftrag erteilt und erwarte, dass Sie den ausführen! Und zwar pronto!

Rudi: Und meine Kolumne?

Chef: Haben Sie`s immer noch nicht kapiert: Die ist abgesetzt!

Rudi: Aber warum? Die Leute sind …

Chef: Wenn ich sage, das Ding ist tot, ist das Ding tot. Kapiert?

Rudi: Aber … (Sieht den Hörer, dann den Kollegen vom Nachbartisch an): Der hat einfach aufgelegt.

Kollege (grinsend): Ist heute irgendwie nicht Dein Tag, oder?

Rudi sieht immer noch den Hörer an, schüttelt den Kopf, legt auf und starrt auf den Bildschirm. Liest seine Kolumne. Markiert den Text. Drückt seufzend die Taste Entf.

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