Mittwoch, 21. Dezember 2011

Eine stinknormale Leichensache. (1)

Dienstag, 20. Dezember 2011.
Bei Willi vor der Ecke. Kneipengespräche. (6)


Der Verleger sitzt am Stammtisch. Werner kommt herein, nickt Willi zu, lässt sich auf den leeren Stuhl gegenüber vom Verleger fallen. Willi bringt kommentarlos zwei Bier.

Werner: Kommt Herr Buchmann auch?

Verleger: Heute nicht.

Werner: Hm.

Verleger (prostet ihm zu): Spuck`s endlich aus.

Werner: Wie?

Verleger (grinst): Was!

Werner (befingert verlegen sein Bierglas, trinkt einen Schluck): Ist nicht wirklich der Rede wert. Und eigentlich versteh ich es auch nicht.

Verleger (schweigt)

Werner (stellt das Bier ab, schaut aus dem Fenster in die Nacht): Seit Jahr und Tag guck ich mir die ekligsten Leichen an: Erhängte, Erschossene, Erstochene, und dass die manchmal schon wieder lebendig werden, bis wir sie finden, das ist nun auch nix Seltenes.

Verleger: Wieder lebendig?

Werner: Sorry. Die Maden halt.

Verleger: Hm.

Werner: Das hat mir nie irgendwas ausgemacht. Nicht ein einziges Mal in all den vielen Jahren. Ich bin heim, hab mich umgezogen und geduscht, und gut war`s.

Verleger: Und jetzt macht`s dir was aus?

Werner (zuckt die Schultern): Stell dir vor, Anne hat mir gemailt.

Verleger: Was hat das mit den Maden zu tun?

Werner: Sie will, dass ich ihr neuestes Elaborat begutachte. Einen echt witzigen Krimi. Mit echt witzigen Leichen. Und einem ausgesucht superwitzigen Mörder. (trinkt einen Schluck) Und einer geradezu aber-witzigen Ermittlerin. Und obendrauf ein schwuler Kommissar. Edel, witzig und gut. Und das mitten im Odenwald.

Verleger: Ist doch witzig.

Werner: Es KOTZT mich an!

Verleger (grinst): Warum sagst du nicht einfach Nein? Den Ehefrieden kann`s ja nicht mehr belasten.

Werner: Das einzige Mal, dass Anne ein Nein von mir akzeptiert hat, war die Antwort auf ihre Frage, ob ich was dagegen habe, dass wir die Wohnung verkaufen. Wie sollte ich.

Verleger: Nun sag`s endlich.

Werner: Was?

Verleger: Der witzige Krimi und der schwule Kommissar sind nicht das Problem, oder?

Werner (trinkt das Bier aus. Befingert den Tisch) Ich versteh`s einfach nicht. Das ist doch verrückt! Ich mach das so lange, und dann …

Verleger (schweigt)

Werner: An dem Tag, als du mich hier getroffen hast … morgens: Anruf einer erbosten Frau bei der Polizeistation. Sie hätte jetzt den Kanal voll. Der Scheißkerl von obendrüber würde seit Wochen rund um die Uhr den Fernseher laufen lassen. Ob die Polizei nicht mal was unternehmen könnte. Sie hätte schon `zig mal geklingelt und sogar gegen die Decke gehauen, und jetzt wolle sie den anzeigen, wegen Ruhestörung. Weil er das Ding nicht mal nachts abschalten würde. Na ja, so laut war`s gar nicht. Hat sich sonst auch keiner beschwert von den vielen nebendran und drumherum. Und dann sind wir halt rein.

(Forts. folgt)

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