Mein Briefträger ist stinkesauer: Sein Fahrradpostkorb quoll täglich über vor braunen Umschlägen, und regelmäßig passte nur knapp die Hälfte in meinen klappenlosen Briefkasten, und er musste absteigen und klingeln. Nun war ich ja nur selten zu Hause, wenn er klingelte, und deshalb musste er auch noch bei der halben Nachbarschaft anläuten, von der wiederum nur die Hälfte überhaupt die Tür aufmachte Das fand er nicht besonders witzig, das habe ich gemerkt, als er mir vergangene Woche den Freitagsstapel aushändigte. Ich solle mir gefälligst ein Postfach mieten, hat er gemeint. Und Frau Friedemüller, meine Nachbarin zur Linken, die findet das schon gar nicht witzig. Allerdings muss ergänzend hinzugefügt werden, dass sie, soweit ich informiert bin, noch nie irgendetwas in ihrem Leben witzig fand. Sie unterstellt mir hundertpro, dass ich inkognito bei Beate Uhse ordere. Natürlich ist sie zu wohlerzogen, das direkt zu sagen. Aber diese Blicke! Was sollte ein verlassener Ex-Ehemann schließlich auch anderes machen in seiner trostlosen Einsamkeit? Bücher lesen vielleicht? Verlage gründen? Sich samstags mit seinem Chef rumärgern? Nicht wirklich. Und überhaupt: Ein Mann, der täglich dicke braune Umschläge kriegt: was wird da wohl anderes drin sein als Schweinkram?!
Ich kann froh sein, dass sie mich noch nicht wegen Kinderpornografie angezeigt hat. Die Meinung über Frau F. war übrigens so ziemlich das einzige, was meine Ex und ich zum Schluss noch gemeinsam hatten. Na ja: Wenn ich die Relevanz von Dingen und Leuten für mein Leben in einer Liste festhalten könnte, würde ich Frau F. zwar direkt hinter der Bedeutung von: Schatten, den Rehwild in einer Vollmondnacht im südlichen Stadtwald wirft eintragen, aber peinlich war`s mir trotzdem.

Also hab ich mit dem Briefträger ein Agreement geschlossen und bin diese Woche jeden Tag nach der Arbeit direkt zur Post, um den Teil des braunen Stapels abzuholen, den mein Briefkasten sich zu schlucken weigerte. Das war Stress pur! Vorgestern haben die seelenruhig zugeschlossen, als ich gerade am Einparken war.

Gestern hat Ad angeboten, sich ab sofort auch um die Post zu kümmern.Ich hab ihn gefragt, ob er sich im Klaren ist, was das bedeutet: Poststelle eines Verlags zu sein, der von Manuskripten überschwemmt wird, obwohl er gar keine Bücher verlegt? Und was tut Ad? Das Übliche.
Haut mir grinsend auf die Schulter. „Mach dir kein Kopp, Kumpel. Ich regel das. Schließlich bin ich die Pressestelle von deinem Verlag. Und ausgewiesener Spezialist für dicke braune Umschläge!“
Was soll ich sagen? Ich war heilfroh, das Zeug endlich loszusein.
Heute klingelte dann der Paketbote.