Mittwoch, 19. Oktober 2011

Messesplitter.

15. Oktober 2011
Der Chronist. Medienauswertung. (4)


1. Lesen im isländischen Wohnzimmer
2. Wenn Autos für Bücher brennen
3. Branchentreff erfindet sich neu
4. Ausgehtipp: Frankfurter Buchmesse

1.
Lesen im isländischen Wohnzimmer

Bewunderung von allen Seiten für den unprätentiösen Auftritt des Buchmesse-Gastlands: Wer im Forum eintritt, den umhüllt schummrige Wärme und er wird sofort zum Lesen animiert. Hier stehen keine Autoren und nationale Statussymbole im Mittelpunkt, sondern das Lesen.

"Das hatten wir schon länger nicht mehr bei einem Gastland-Auftritt: Überall sitzen hier die Leute und lesen, lesen, lesen", befand nicht nur Buchhändlerin Monika Steinkopf (Berger Bücherstube), die gerade mit Kollegin Helma Fischer (Steinmetz'sche Buchhandlung, Offenbach) durch die Wohnzimmer streift. Richtig, Wohnzimmer, denn überall stehen runde und eckige Tische, Sessel, Sofas, Stühle, alle nicht von Messebauern und nigelnagelneu, sondern angeschrammte mit Gebrauchsspuren, die sagen: Wir haben schon was erlebt. Da fühlt man keinerlei Distanz, es ist, als tauche man ein in isländische Stuben, ab und an spielt ein Trio dezent Musik im Hintergrund, es darf gegessen und getrunken werden und vor allem: gelesen.

Denn wo man auch hinguckt: Überall stöbern die Besucher neugierig in den Buchregalen, nehmen Novitäten und Backlisttitel heraus (da ist kein Buch sorgsam angekettet) und lesen an den Tischen, stupsen sich mit dem Ellbogen an: Hier, lies mal, ist das nicht schön beschrieben? Gesprochen wird natürlich auch, hier herrscht keine ehrfurchtvoll museale Stille wie bei manch anderen Gastland-Auftritten, die ihre Autoren, ihre Geistesgrößen, ihre Landschaften, ihre Politik zeigten; nein, hier wird über Literatur, über einzelne Bücher geredet. Ringsum animieren auf großen Leinwänden Videos, die Lesende aus Island zeigen: Kinder, Schüler, Studenten, Schriftsteller, unterschiedlichste Altersgruppen und Professionen, ein lesendes Land offenbar. Im Wechsel ist die jeweilige Stimme zu einer Person zu hören, auch hier dezent, und man fängt an, sich für die isländische Sprache zu interessieren. Eine gelungene Inszenierung, denn sie macht neugierig. Auf die Bücher und noch mehr: aufs Lesen.

Quelle: Börsenblatt, http://www.boersenblatt.net/459209 , Frankfurter Buchmesse, 13.10.2011 (Stand: 13.10.2011)


2.
Wenn Autos für Bücher brennen

Raffinierte Verkaufsstrategien der Verlage

Berlin. Klaus Kluge lässt schon mal ein Auto in Flammen aufgehen, wenn es dem besseren Verkauf eines Buches dient. Der Geschäftsführer von Bastei Lübbe, unlängst ausgezeichnet mit dem „Sales Award 2010“ für außergewöhnliche Leistungen in Verkauf und Vertrieb, insbesondere für „spektakuläre Inszenierungen neuer Autoren“, ist an Einfallsreichtum kaum zu überbieten.
(…) Patentrezepte für die Herstellung eines Bestsellers gebe (sic!) zwar nicht, aber einige wichtige Faktoren, die häufig zum Erfolg führten. Da wäre zum Beispiel der Autor: Wenn der bereit ist, sich für PR und Werbung entsprechend inszenieren zu lassen, sei schon viel gewonnen. „Er muss aber auch der Typ dazu sein“, meint Kluge. (…)

Wer hier an den aktuellen Bestseller von Charlotte Roche („Schoßgebete“) denkt, befindet sich auf der richtigen Spur. „Wir wären ja dumm gewesen, wenn wir ihre Ausstrahlung und ihr Charisma nicht genutzt hätten. Sie ist ein absoluter Medienprofi und praktisch im Fernsehen groß geworden“, sagt Eva Brenndörfer vom Piper-Verlag. Daher wurde auch kaum klassische Werbung, sondern ausschließlich PR gemacht. Erst kurz vor dem Erscheinungstermin wurden einige „Leitmedien“ mit Exklusiv-Interviews ins Boot geholt, danach wurden Fahnen an weitere Journalisten geschickt, dann folgten TV-Auftritte bei Markus Lanz, Sandra Maischberger, Stefan Raab und weiteren. Fast 600 000 Exemplare habe man bereits verkauft.

„Zu 90 Prozent ist ein Bestseller machbar“, meint auch Professor Erich Witte, Leiter des Bereichs Sozial-, Medien- und Wirtschaftspsychologie an der Uni Hamburg. Allerdings unter der Bedingung, dass das Thema viele Menschen anspricht und zum Zeitgeist passt.
„Wenn der Verlag nun noch mit einer hohen Startauflage droht, möchte ich den Leser oder den Journalisten sehen, der es sich leisten möchte, bei diesem Buch nicht mitreden – oder schreiben zu können.“ (…) Bedeutsam ist das, worüber alle schreiben oder reden. So wird Bedeutsamkeit auch künstlich erzeugt.“

Quelle: Karolin Köcher, dpa, in: Offenbach Post, 12.10.2011 (Auszug)


3.
Branchentreff erfindet sich neu
Zuwachs bei Konferenzen und Rechte-Handel


Frankfurt. Im Jahr 1972 erhielt der dänische Literaturagent Ib Lauridsen auf der Frankfurter Buchmesse keinen eigenen Stand. Der war Verlegern vorbehalten. Da veröffentlichte der gewiefte Mann aus Kopenhagen kurzerhand ein Buch auf Englisch mit dem witzigen Titel „Wie man einen Stand bei der Frankfurter Buchmesse erhält“ – schon war er zugelassen. Eine nette Anekdote aus längst vergangenen Zeiten. Heute tummeln sich auch Filmproduzenten, Regisseure (…) oder Hersteller von Computerspielen auf der Messe. Und die Organisatoren sind heilfroh darüber.
Die weltgrößte Bücherschau wandelt sich immer mehr zum Börsenplatz für Inhalte aller Art. Das Buch ist nur ein Baustein in einer immer breiter gefächerten Verwertungskette. „Wir müssen alles machen, Print, Digital, Social Media und die Vernetzung vorantreiben“, heißt das Credo von Buchmessen-Chef Juergen Boos. Die alte Kette im Buchgeschäft, vom Autor über Verleger und Händler zum Leser, ist passé.
Als gobal wichtigster Treff will die Buchmesse, organisiert vom Dachverband der deutschen Buchbranche, den unaufhaltsamen digitalen Wandel vorantreiben. Es bleibt der Messe auch keine Wahl, wenn sie nicht über kurz oder lang überflüssig werden will. (…)

Quelle: Thomas Maier, dpa, in: Offenbach Post, 12.10.2011 (Auszug)


4.
Ausgehtipp: Frankfurter Buchmesse


Noch ein unverplantes Wochenende in den Herbstferien? Lust, ein paar alte und neue Freunde zu treffen? Dann solltet ihr euch unbedingt die Frankfurter Buchmesse auf dem Messegelände vormerken! Von Samstag, 15. bis Sonntag, 16. Oktober, ist die Buchmesse für Privatpersonen (…) geöffnet. Das sollte man sich nicht entgehen lassen. Denn es geht längst nicht um staubige Bücher: Vorgestellt werden auch Comics, Manga, Filme und futuristische digitale Bücher, eBooks. (…)

Quelle: Tamara Rosskopf, in: Offenbach Post, Junge OP-tik, 12.10.2011 (Auszug)

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