Samstag, 31. März 2012

Wildschweingulasch und Hefeklöße.

Mittwoch, 21. März 2012.
Der Verleger. Tagebucheintrag. (24)


Sie trug Jeans und einen Pulli und ihre Wohnung war winzig, aber mit einer vollausgestatteten kleinen Küche. Auf dem Tisch standen Kerzen, und es gab Wildschweingulasch und Hefeklöße. Und vorher eine Kürbissuppe, und hinterher einen handgemachten Espresso. Wie lange ist es her, dass ich so köstlich gegessen habe? Aber nicht nur das Essen war exzellent, der Wein war es auch. Schade, dass es draußen zu kühl war. Ihr kleiner Balkon schaute gemütlich aus. Frühlingsbunt und fröhlich. Sie fragte mich, warum ich das mit dem Verlag gesagt hätte. Sie glaubte tatsächlich, ich wollte mich über sie lustig machen. Als gescheiterte Lektorin, die sich jetzt ihre Brötchen mit Firmenprofilen und Powerpointpräsentationen verdienen muss.

Als ich ihr das Malheur gebeichtet hab, hat sie herzerfrischend gelacht: Lektorin ohne Bücher trifft keinen Verleger mit einem Verlag ohne Bücher. Na, wenn das nicht Realsatire ist! Sie zwinkerte mir zu. Wenn Sie verkaufen möchten, Herr Verleger?, fragte sie kokett. Ich wäre durchaus interessiert. Jetzt musste ich lachen. Verkaufen? Ich schenke Ihnen das Ding! Richten Sie einfach eine Anfrage ans Lektorat. Kindisch waren wir, wirklich unglaublich albern. Dann erzählte sie von ihren Anfängen als Lektorin, und in ihre Augen trat ein Funkeln, und in ihrer Stimme war plötzlich eine Leidenschaft, dass ich sie am liebsten geküsst hätte.

Eine ganze Flasche Wein lang schwärmte sie von der Freude, die es ihr bereitet hatte, gute Autoren zu finden, zu fördern, ihre Geschichten zu Büchern zu machen, ihnen zum Durchbruch zu verhelfen, und es war für mich als Leser unglaublich spannend, hinter den Vorhang zu sehen, dorthin, wo die Bücher entstehen, die Berti verkauft und die ich lese. Aber je länger sie erzählte, desto schwächer wurde das Funkeln, und die Leidenschaft verschwand. Contentmanagerin wollte sie nicht sein. Und sie wisse, dass auch die meisten Autoren keinen Content liefern, sondern lieber ganz altmodisch weiterhin Geschichten erzählen wollten. Und dann waren wir mittendrin in der Diskussion übers Bücherschreiben, Büchermachen, Bücherlesen.

Als sie eine zweite Flasche Wein holte, überlegte ich, wann ich zuletzt mit einer Frau eine so gescheite Unterhaltung geführt hatte. Ich öffnete den Wein, und sie schaute mich an, und ich wusste, dass es nicht nur unsere Unterhaltung war, die mir gefiel. Und dass sie mich nicht nur zum Essen und Reden eingeladen hatte.

Ich füllte unsere Gläser, wir stießen auf den schönen Abend an. Ich trank einen Schluck und dachte an das Angebot aus Berlin, von dem sie mir vorgeschwärmt hatte. Und dass heute ihr letzter Tag in der Firma gewesen war. Es fiel schwer, aber es war besser zu gehen.

Keine Kommentare: