Samstag, 31. März 2012

Man hält das für originell.

Montag, 19. März 2012 (abends).
Die Autorin. Schreibgespräche. (6)


Reiheneckhaus. Dachgeschoss.
Annabelle Chanson tippt auf ihrem Handy. Es wählt.


Weibliche Stimme: Libeskinnt Marketing Consult P.T., Guten Tag! Ich freue mich über Ihren Anruf, aber leider bin ich derzeit außer Haus unterwegs. Bitte hinterlassen Sie Ihren Namen und Ihre Rufnummer – ich melde mich so bald wie möglich. Vielen Dank.

AC: Bella! Ich bin`s.

Bella (nimmt ab): Hallo Anne! Da hast du aber Glück! Bin gerade nach Hause gekommen.

AC: Wie geht`s dir?

Bella: Ein bisschen müde. War anstrengend heute. Aber morgen habe ich es endlich geschafft!

AC: Und wie war die werte Zusammenarbeit mit unserem lieben Armin?

Bella: Ist der gleiche Arsch wie früher. Bloß eine Ecke schlimmer. Aber ziemlich erfolgreich. Wobei ich sagen muss, dass er das zu einem Gutteil seinem Büroleiter zu verdanken hat. Der schmeißt den ganzen Laden, und Armin sonnt sich im Erfolg. Was ja auch nichts Neues ist. Dass ich seinen Ferrari nicht angemessen bewunderte, hat ihn, glaube ich, arg getroffen.

AC (lacht).

Bella: Und wie geht`s dir?

AC: Bestens. Die neue Krimireihe ist ein voller Erfolg, wenn ich den Lobeshymnen meiner werten Lektorin glauben darf. Na gut, der Titel ist nicht wirklich mein Ding, und das Cover? Schwamm drüber.

Bella: Wie lautet der Titel?

AC: Soll das heißen, du hast meine Karriere nicht weiterverfolgt und das großartige Werk am Ende noch gar nicht gelesen?

Bella: Ich habe seit Monaten überhaupt kein Buch mehr gelesen.

AC (lacht): Ich lasse dir umgehend ein Belegexemplar zukommen.

Bella: Und? Wie schimpft sich das Kind?

AC (angewidert): Mord vor Ort.

Bella: Und der zweite heißt dann Mord im Wort?

AC: Fast. Word für Mord. Word mit „d“. Man hält das für originell.

Bella (lacht): Du müsstest dich eigentlich langsam mal dran gewöhnt haben, oder?

AC: Es gibt Dinge, an die WILL man sich gar nicht gewöhnen. Aber Schluss jetzt mit dem Kram. Wann besuchst du mich endlich mal wieder?

Bella: Bald. Wie gesagt, morgen ist mein letzter Tag in der Firma, und dann habe ich mehr Zeit. Soll ich dir verraten, wie sie mich dort nennen? Corpy!

AC: Bitte – wie?

Bella: Von Corporate Identity. Aber natürlich nur hinter meinem Rücken. Ich weiß es trotzdem, man hat ja seine Kontakte. Ehrlich: Ich bin heilfroh, dass ich das morgen hinter mir habe. Ist schon ein merkwürdiger Laden. Und auf die Dauer den lieben Armin als Chef? Nein, danke. Wenn ich sein Büroleiter wäre, hätte ich ihn längst auflaufen lassen. Aber der macht's nicht, warum auch immer. Ich wette, der würde sofort anderswo eine adäquate Stelle finden. Weiß der Kuckuck, warum er sich das antut.

AC: Vielleicht ergänzen sie sich gut?

Bella: Glaub ich nicht. Armin ist ein hoffnungsloser Blender. Sein Büroleiter ist ein – wie soll ich sagen – eher zurückhaltender Mann. Freundlich, distanziert. Zuweilen mit einem Hang zur Ironie. Ich glaube, dem sind diese Spielchen einfach egal. Der macht seinen Job, und gut. Armin weiß gar nicht, was er an dem hat. Jedenfalls behandelt er ihn ganz schön von oben herab. Aber auch das scheint ihn nicht zu jucken. Vielleicht zahlt ihm Armin doch mehr, als ich vermute? Und er braucht das Geld? Zu mir war er allerdings ausgesucht freundlich.

AC: Wer? Armin oder dein Büroleiter?

Bella: Wie bitte?

AC: Bella, ich kenn dich! Wie du von dem redest.

Bella: Also! Wir waren höchstens drei Mal in der Kantine zusammen essen.

AC: Na dann wird`s Zeit, dass du was unternimmst. Oder ist er etwa verheiratet?

Bella: Geschieden, soweit ich weiß. So lange, wie er abends im Büro hockt, wird`s wohl stimmen.

AC: Hast du denn den ausgesucht freundlichen Armin nicht mal ausgefragt?

Bella (lacht): Doch. Viel mehr als das, was ich ohnehin wusste, konnte er mir auch nicht sagen. Und hatte wohl auch keine Lust dazu. Der wollte mich tatsächlich …

AC: Wie heißt er überhaupt, dein Schwarm?

Bella: Also bitte! Ich bin kein Teenager mehr. Und außerdem scheint er nicht sonderlich an mir interessiert zu sein.

AC: Seinen Namen wollte ich wissen.

Bella sagt ihn. Schweigen.
Anne? Bist du noch dran?

AC: Kannst du das bitte wiederholen?

Bella: Warum? Kennst du ihn etwa?

AC: Allerdings.

Bella: Ja, und?

AC: Geschieden stimmt.

Bella: Und weiter? Rätst du mir zu oder ab?

Anne (schweigt).

Bella: He! Ich hab dich was gefragt. (Zögernd.) Woher kennst du ihn?

AC: Er und Werner waren mal eng befreundet. Durch Werners Job und unseren Umzug haben wir uns schon lange vor seiner – und meiner – Scheidung aus den Augen verloren. Was ich dir definitiv über ihn sagen kann ist, dass er Bücher liebt und ein rundum netter Kerl ist.

Bella: Das ist alles?

AC: Das genügt für den Anfang, oder?

Bella: Du verheimlichst mir was!

Anne (zögernd): Nicht mal Werner weiß davon.

Bella (entsetzt): Hat er etwa versucht, dich …

AC: Was immer du denkst: Nein! Ich sag`s dir, aber du musst versprechen, dass du ihm gegenüber niemals ein Sterbenswörtchen erwähnst!

Bella: Liebe Güte! Ich schwör‘s.

AC: Er und Werner waren zwar Freunde, aber zwischen uns Frauen hat es nie richtig funktioniert. Wir waren einfach zu unterschiedlich in unseren Ansichten, in allem. Soll ja vorkommen. Ich habe es jedenfalls nicht bedauert, als der Kontakt schließlich abbrach. Umso überraschter war ich, als sie sich eines Tages bei mir meldete. Was sie mir erzählte, klang ungeheuerlich. Ich habe es zuerst auch nicht geglaubt, aber sie war wirklich überzeugend. Was soll ich sagen? Ich habe Werner was vorgeschwindelt von einer früheren Schulfreundin, die von ihrem gewalttätigen Ehemann wegwollte, und alle seine polizeilichen Tipps brav an sie weitergegeben. Frag mich nicht, wie ich mich gefühlt habe, als ich die Wahrheit herausfand. Dass es ihr nur darum ging, ihm seinen Sohn wegzunehmen. Und dass sie es auch geschafft hat.

Bella: Das ist heftig.

AC: Ich kann mich hoffentlich auf dich verlassen!

Bella: Sicher. Und danke, dass du‘s mir gesagt hast.

AC: Was hast du als nächstes vor?

Bella: Ich habe ein Angebot für ein neues Projekt in Berlin, aber wenn ich ehrlich bin, würde ich viel lieber wieder als Lektorin arbeiten. Fragt sich nur, für wen und wo.

AC: Womit wir endlich beim Thema wären.
Beide lachen.

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