Samstag, 31. März 2012

Die circen von selbst.

Montag, 26. März 2012.
Der Verleger. Tagebucheintrag. (25)


In der Firma hängen jetzt überall großformatige Bilder mit überaus inspirierenden Texten. Bergsteiger vor der Abendsonne beispielsweise. Mo.ti.va.ti.on. Und das Briefpapier hat ein originelles Design. Der Inhalt leider nicht. Ich werde mich daran gewöhnen.

Kurze Unterbrechung. Neuer Auftrag vom Chef. Ich glaube, der ist immer noch sauer auf mich, weil Corpy so freundlich zu mir war. Vielleicht sollte ich ihm angelegentlich erzählen, dass sie mich zu sich nach Hause zum Essen eingeladen hat? DAS Gesicht würde ich zu gern sehen. Allein dafür gebührt ihr Respekt: Dass sie sich von diesem Kerl nicht hat becircen lassen, der hier grundsätzlich alles vernascht, was irgendwie weiblich aussieht. Nicht etwa, dass die Damen sich genötigt fühlten! Die meisten braucht er nicht mal becircen, die circen von selbst. Und obwohl sie es alle besser wissen müssten, glaubt jede, dass sie und nur sie die Einzige und Auserwählte sei. Was sich hier schon für Szenen abgespielt haben! Ich könnte glatt ein Buch darüber schreiben. Die eine und andere hat‘s tatsächlich sogar bei mir versucht, als Türöffner sozusagen.

Aber lassen wir das. In der Beziehung war Corpy jedenfalls erfrischend anders. Ausgesucht höflich, aber konsequent auf Distanz. Das Beste war die Szene neulich auf dem Parkplatz. Wenn der Chef wüsste, dass ich das mitgekriegt habe, müsste ich ab morgen die Ablage machen, nur damit bewiesen wäre, dass er doch der Größte ist. Steht der neben seinem feuerroten Ferrari, aufgeplustert wie ein Gockel, und hält ihr grinsend die Tür auf. Und was macht Corpy? Bedankt sich artig und sagt, dass sie ihren eigenen Wagen dabei habe. Und dann steigt sie in ihren angerosteten 2er-Golf (dass so was überhaupt noch durch den TÜV kommt!), kurbelt das Fenster runter, winkt dem verdatterten Chef vergnügt zu und tuckert davon. Enervierende Powerpointvorträge und langweilige Workshops hin oder her: Es ist schade, dass sie nicht mehr da ist.

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