Samstag, 31. März 2012

Saunagang für die Seele.

Sonntag, 18. März 2012.
Der Verleger. Tagebucheintrag. (22)


Gestern wieder bei Berti im Laden gewesen. Es versucht es wirklich, aber der PC ist nicht seine Welt. Ich spüre, wie er die Freude verliert und denke an die unvergesslichen Momente, die ich über so viele Jahre in seinem Laden erleben durfte. Eins der schönsten Erlebnisse überhaupt waren die Wochen, ja Monate, als die Leser in Scharen in seinen Laden kamen, um ein seltsames kleines Buch zu kaufen. Die souveräne Leserin steht seitdem an ausgesuchter Stelle in meinem Bücherregal; ich habe die Geschichte unzählige Male gelesen, und immer noch ist es eine Freude, dieses Buch in die Hand zu nehmen. Es stimmt, was Berti damals sagte: Dass ein Bestseller mit Humor und Hirn selten vorkommt. Aber dass es noch viel seltener ist, dass ein solches Buch nicht nur gut geschrieben, sondern auch noch gut gemacht ist.

Mehrere Jahre ist das her, aber ich sehe das Bild noch immer vor mir, als wäre es gestern gewesen. Mit Andacht strich Berti über das knallrote Leinen und das säuberlich aufgeklebte Foto der Queen. Als ob er einen Schatz berührte.
„Ein Buch, das den Augen und der Seele Freude macht, und noch dazu die Kasse klingeln lässt! Wann habe ich das zuletzt erlebt?“ Er deutete auf einen roten Stapel neben einem der Regale. „Der war gestern doppelt so hoch! Und das, obwohl ich schon zweimal nachgeordert habe!“
Ich nahm das Buch in die Hand. Ich kannte mich mit Satz und Layout nicht aus, aber ich merkte selbst als Laie, dass das in der Tat etwas Besonderes war. Und dann, ich vergesse es nie, kam tatsächlich eine Kundin rein, und fragte nach genau diesem Buch. Das heißt, sie versuchte es, denn sie kannte den Titel nicht genau.
„Das soll eine Geschichte sein über die Queen und das Lesen Und ganz oben auf der Bestsellerliste stehen“, sagte sie ein wenig verlegen, und in der Tat klang das nicht gerade nach einem Werk, das vernünftige Leute auf Bestsellerlisten vermuteten.
„Sie meinen nicht zufällig dieses hier?“, fragte Berti mit seinem verschmitzten Buchhändlerlächeln, nahm mir das Buch aus der Hand und gab es ihr. Sie strahlte, und schon waren sie am Fachsimpeln, die Lesebegeisterte und der Buchhändler, und ich war vergessen.
Ich griff mir ein neues Exemplar vom Stapel und verkrümelte mich in den Ohrensessel. Was für eine skurrile und schräge Geschichte! Natürlich kaufte ich das Buch und las es zu Hause mit Genuss noch mal ganz von vorn. Und nach dem Lesen – wie soll ich das beschreiben? Mir war, als ob ich nach der Sauna aus der Dusche käme. Dieses wohlige Gefühl, sich ganz und gar gereinigt zu haben. Die souveräne Leserin war für mich also sozusagen ein Saunagang für die Seele. Und ohne Berti hätte ich sie nie kennengelernt, wie so viele andere wunderbare Bücher auch.
Und jetzt musste ich mitansehen, wie dieser ehrwürdige und lebenserfahrene alte Buchhändler hilflos wie ein Kind vor der Technik der Moderne stand.

Selbst als meine Ex mir den Jungen weggenommen hat, hab ich`s geschafft, ohne feuchte Augen aus der Sache rauszukommen. Gestern nicht.

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