Freitag, 2. März 2012

Fauxpas.

Mittwoch, 29. Februar 2012.
Der Verleger. Tagebucheintrag. (20)


Manchmal tritt man in Fettnäpfchen, die man nicht mal sieht, wenn man mitten drin steht. War heute Mittag – etwas später als sonst – in der Kantine essen, und wer kommt zur gleichen Zeit rein? Die liebe Frau Libeskinnt, die sich immer noch eifrig bemüht, uns identitätsstiftend zu korporatieren. Nachdem ich sie entdeckt hatte, schaute ich zwar demonstrativ nicht mehr in nämliche Richtung und hoffte nach dem Vogel-Strauß-Prinzip, mich für ihr Auge unsichtbar zu machen, allein: Es funktionierte nicht. Mit einem lächelnden: „Darf ich?“ ließ sie sich mir gegenüber nieder.
„Das Essen hier ist wirklich nicht übel“, sagte sie und stocherte in ihrer Vegan-Variante von Hackbraten.
„Hm“, sagte ich und bedauerte, nicht mit der Meute zusammen gekommen zu sein.
„Darf ich Sie etwas fragen?“, fragte sie.
„Hm“, sagte ich kauend.
„Sie mögen mein Konzept nicht, stimmt’s?“
„Hm.“ Irgendwann musste sie doch mal anfangen zu essen!
„Oder liegt es an der Art der Präsentation? Oder - “ , sie stocherte weiter, lächelnd. „An mir?“
Ich gab die Hoffnung auf, meinen echten Hackbraten warm in den Magen zu bekommen. „Darf ich Sie auch was fragen?“
„Hm.“
Jetzt mussten wir beide lachen. Ich fragte: „Warum tun Sie sich das eigentlich an? Wir sind allesamt staubtrockene Bürofuzzis und inkompatibel mit smarten Logos und Sinnsprüchen.“
Sie schob ihren Teller beiseite und widmete sich dem Salat. „Ich schätze Sie als durchaus kreativen und wachen Geist ein.“
„Ach?“, sagte ich ironisch, um nicht zu zeigen, dass mir ihr Lob gefiel. „Und woran sehen Sie das? An meinen originellen Beiträgen kann es nicht liegen, oder?“
Sie grinste. „Ich habe ein Gespür für kreative Adern. Ich war mal Lektorin.“
Ich musste lachen. „Das ist ja … sozusagen fast so lustig wie ein Verlag ohne Bücher!“
Seltsamerweise fand sie das gar nicht lustig. Aber ich hatte endlich Gelegenheit, meinen Teller zu leeren. Und fand es dann doch schade, dass sie bald aufstand und ging.

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