Montag, 24. September 2012

Die Erfinderin. Das Interview. TEIL 1

Von der Passion, sich Geschichten auszudenken.

E: Guten Tag, Herr Ratlos. Schön, dass Sie sich Zeit für mich nehmen.

R: Habe ich eine Wahl?

E (lacht).

R: Warum haben Sie sich diese seltsame Geschichte ausgedacht?

E: Es ist mein Beruf, mir Geschichten auszudenken.

R: Erzählen Sie den Lesern etwas darüber.

E: Ich habe schon mehrere Bücher veröffentlicht. In ganz normalen Verlagen.

R: Aber?

E: Ein bisschen Annabelle Chanson steckt auch in mir.

R (grinst): Darf ich raten? Kitty ist nicht das Problem. Sondern die kleine Gedichtesammlung.

E: Sie sind raffinierter als ich dachte.

R: Ich habe ja lange genug in der Geschichte mitgespielt. Als Journalist macht man sich so seine Gedanken. Auch wenn Sie mich sie nicht haben aussprechen lassen.

E: Ich weiß, dass mehr in Ihnen steckt. Gegen Ende wurde es zunehmend schwerer, Sie in der Spur zu halten.

R: So ist das, wenn man Figuren erfindet und will, dass sie lebendig wirken. Sie werden es womöglich wirklich. Verraten Sie mir also, wie Sie auf die Idee mit dem Thoni-Verlag gekommen sind?

E: Das Logo hatte ich vor längerer Zeit – also lange, bevor ich es dann für diese Geschichte verwendet habe – aus einer Laune heraus entworfen. Ich glaube, ich hatte mich damals gerade darüber geärgert, dass man mir einen mühsam kreierten Buchtitel wegmarketingen wollte. Wer die Fantasie als Werkzeug hat, kann sich auch passende Verlage ausdenken.

R: Aber dann denkt man sich doch welche aus, die Bücher verlegen! Am besten das eigene als Supermegabestseller rausbringen!

E (grinst): Bingo.

R: Na ja, Ihr Thoni-Verlag brilliert durch Nichtverlegen.

E: Im Ernst: Hätten Sie ein Interview mit mir geführt, wenn ich einen Ein-Mann-Selbstverleger-Verlag gegründet hätte?

R: Nun, je nachdem. Vielleicht für die Stadtteilnachrichten …

E: Und gelesen hätten es dreieinhalb Leute, von denen zweieinhalb gedacht hätten: Schon wieder eine, die so schlecht schreibt, dass sie keiner verlegen will.

R: Sie erwähnten, dass Sie bereits veröffentlicht haben. Darf ich fragen, was und wo?

E: Mehrere Romane in gängigen Genres bei einem großen Publikumsverlag.

R: Wie hoch ist die Auflage?

E: So um ein paar Hunderttausend dürften es wohl inzwischen sein.

R: Ähm … das macht mich sprachlos. Warum …?

E: Ich mir das hier antue? (lacht) Ich glaube, Annabelle Chanson hat die Frage beantwortet, oder?

R: Sie schreibt weiter.

E: Genau das tue ich auch.

R: Das heißt, Sie arbeiten unter mehreren Pseudonymen und schreiben Bücher, die Sie eigentlich gar nicht schreiben wollen, weil Sie davon leben müssen?

E (schmunzelt): Zum Glück, nein! Ich habe zwar gängige U-Literatur verfasst, aber mit höchstem Vergnügen! Nicht das Genre ist das Problem, sondern das Drumherum. Und obwohl ich seit vielen Jahren als professionelle Autorin arbeite, kann ich Ihnen nicht sagen, wer in diesem ganzen Karussell nun recht hat. Wer die Henne und wer das Ei ist.

R: Inwiefern?

E: Die Lektorinnen sagen, die Vertreter sagen, die Buchhändler sagen, die Leser wollen das so. Alles klar?

R (lacht): Ja, ich fange an zu verstehen.


 

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